Grundsätze der Unterhaltsberechnung nach Ehetrennung oder Scheidung

Seit dem 1. Januar 2017 gilt in der Schweiz das neue Kindesunterhaltsrecht. Das neue Recht führte auch zu einer Veränderung der Unterhaltsbeiträge für Ehegatten während der Trennungszeit und nach der Scheidung. Dank neuer Bundesgerichtsentscheide aus den Jahren 2018 bis 2020 wird immer klarer, wie das neue Recht einheitlich anzuwenden ist. Die bisher sehr unterschiedliche Rechtsprechung in den Kantonen wird im Jahr 2021 dank der vom Bundesgericht vorgegebenen Berechnungsgrundsätze voraussichtlich angeglichen werden.

Im Folgenden stellen wir Ihnen ein Dokument zur Verfügung, welches die Grundsätze der Unterhaltsberechnung nach neuer Rechtsprechung zusammenfasst.

Grundlagen der Unterhaltsberechnung
Berechnung Unterhalt nach Trennung oder Scheidung

Betreibungsrechtliches oder familienrechtliches Existenzminimum – was bedeutet das?

Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichtes gibt es bei der Bestimmung des Unterhalts nur noch eine Berechnungsmethode: die zweistufig-konkrete. Was heisst das?

  • Als erstes wird das betreibungsrechtliche Existenzminimum aller Familienmitglieder berechnet.
  • Reicht das Gesamteinkommen nicht aus, um das betreibungsrechtliche Existenzminimum aller Familienmitglieder zu decken, darf jene Person, die Unterhaltsbeiträge bezahlen muss, ihr betreibungsrechtliches Existenzminimum behalten. Die übrigen Familienmitglieder sind in diesen Fällen auf Hilfe des Sozialamtes oder auf eine Erhöhung des eigenen Einkommens angewiesen.
  • Liegt ein Gesamteinkommen vor, welches mehr als das betreibungsrechtliche Existenzminimum decken kann, werden weitere Bedarfspositionen berücksichtigt. Dieses erweiterte Existenzminimum heisst familienrechtliches Existenzminimum.

Das betreibungsrechtliche Existenzminimum bemisst sich nach den jeweils aktuellen Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz.

Welches Arbeitspensum ist zumutbar?

Bis vor kurzem galt: War eine Ehe „lebensprägend“ und hatte ein Ehepaar ein Modell gelebt, bei dem nur ein Ehegatte erwerbstätig war, konnte die erwerbstätige Person zur Zahlung von Unterhalt bis zur eigenen Pensionierung, in seltenen Fällen auch zu lebenslangen Unterhaltsbeiträgen an den Ex-Ehegatten verpflichtet werden. Diese gerichtliche Praxis wurde vom Bundesgericht in Frage gestellt; die Interpretation des Begriffs „Lebensprägung“ wandelt sich. Neu gilt:

  • Nach einer Trennung muss jeder Ehegatte den eigenen Bedarf mit seinem Eigeneinkommen decken, soweit dies möglich und zumutbar ist.
  • Hat eine Person bisher vollumfänglich die Kinder betreut, ist ihr je nach Fremdbetreuungsmöglichkeiten vor Ort ab Eintritt des jüngsten Kindes in den Kindergarten oder in die 1. Klasse in der Regel ein 50%-Arbeitspensum zuzumuten.
  • Ab Eintritt des jüngsten Kindes in die Oberstufe wird in der Regel ein 80%-Arbeitspensum und ab dem 16. Geburtstag des jüngsten Kindes ein 100%-Arbeitspensum verlangt.
  • Auch wenn eine Person nicht mehr erwerbstätig und über 50 Jahre alt ist, wird von ihr in der Regel nach einer Übergangsfrist die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit gefordert. Um in einem Gerichtsprozess nicht zu riskieren, dass ein Einkommen angerechnet wird, welches nicht vorhanden ist, sollte deshalb sofort nach Arbeit gesucht werden. Die Belege für entsprechende Bemühungen sind vor Gericht wichtig.

Die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen ist keine exakte Wissenschaft! Gemeinsame Lösungen schaffen Sicherheit.

Trotz Vereinheitlichung der Rechtsprechung folgt die Unterhaltsberechnung keiner standardisierten mathematischen Formel. Je nach Richterin oder Richter kann im selben Fall aufgrund des richterlichen Ermessens ein anderes Resultat erfolgen.

Sofern die Ehegatten in der Lage sind, eine von beiden als fair empfundene Lösung zu suchen, können sie die Ungewissheit des gerichtlichen Resultates umgehen, indem sie in einer einvernehmlichen Vereinbarung die Unterhaltsbeiträge selbst festlegen. Die Gerichte genehmigen einvernehmlich vereinbarte Unterhaltsbeiträge in aller Regel. Aufgrund der Untersuchungsmaxime in Kinderbelangen haben Gerichte einzig zu prüfen, ob die Unterhaltsbeiträge für die Kinder genügend hoch ausfallen.

Die Unterhaltsberechnung wird wesentlich komplexer, wenn die Betreuung geteilt wird oder weitere, nicht gemeinsame Kinder vorhanden sind. Entsprechend sind die gerichtlichen Lösungen kaum vorhersehbar. Auch in diesen Fällen ist den Ehegatten die Suche nach einer gemeinsamen Lösung, z.B. im Rahmen eines Collaborative-Law-Verfahren, sehr zu empfehlen.

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