Gemeinsames Sorgerecht – welche Betreuungsmodelle gibt es?
Seit Juli 2014 erhalten die Eltern in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht. Gemäss Art. 298 Abs. ter ZGB prüft ein Gericht die Möglichkeit einer alternierenden Obhut, wenn ein Elternteil oder das Kind dies verlangen. Bisher war das „Residenzmodell“ sehr verbreitet. Beim Residenzmodell wird ein Kind hauptsächlich von einem Elternteil betreut, bei diesem findet der Alltag statt. Die Betreuung durch den andern Elternteil findet im Residenzmodell in der Regel jedes zweite Wochenende, während zwei bis drei Ferienwochen pro Jahr sowie an definierten Feiertagen statt. Falls ein Elternteil mindestens 30% der Betreuung übernimmt, spricht man von „geteilter Obhut“, vom „Wechselmodell“ oder von „alternierender Obhut“. Falls ein Wechselmodell aufgrund des Wohnortes und der beruflichen Situation der Eltern gelebt werden kann, profitieren Kinder in der Regel davon, den Alltag bei beiden Elternteilen verbringen zu können.
Wichtige Erkenntnisse aus dem Buch „Wechselmodell: Psychologie-Recht-Praxis“ von Frau Prof. Dr. Hildegund Sünderhauf, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-531-18340-4, wurden im folgenden Dokument zusammen gefasst. Wertvolle Informationen bietet auch die Website www.wechselmodell.ch von der Kindesschutzorganisation Schweiz.
Was bedeutet gemeinsames Sorgerecht?
Seit dem 1. Juli 2014 gilt bei einer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht. Das alleinige Sorgerecht wird einem Elternteil damit nur noch in Ausnahmefällen zugesprochen, hauptsächlich bei Gefährdung des Kindeswohls. Im Alltag hat die neue Regelung unter anderem den Effekt, dass bei entscheidenden Fragen im Leben des Kindes (z.B. Operationen, Schuleintritt) ein gemeinsamer Entscheid durch die Eltern gefällt werden muss. Ist kein gemeinsamer Entscheid möglich, entscheidet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB. In Alltagsfragen (z.B. Hobby, Kleidung, Ernährung) entscheidet der jeweils betreuende Elternteil. Es besteht die Möglichkeit, in einer Elternvereinbarung festzuhalten, welcher Elternteil für Entscheide in einzelnen Bereichen (z.B. Religion, Ausbildung, Gesundheit) zuständig ist.
Die Mustervorlage für eine Elternvereinbarung stellen wir Ihnen mit obenstehendem Downloadlink als PDF zur Verfügung. Auf Wunsch lassen wir Ihnen gerne das Word-Dokument zur einfacheren Weiterbearbeitung zukommen.
Welches Betreuungsmodell passt?
Bei einer Scheidung oder Trennung mit Kindern stellt sich die zentrale Frage, welcher Elternteil in welchem Umfang für die Versorgung und Betreuung verantwortlich ist. Die Beantwortung dieser Frage hat weitreichende Konsequenzen: auf den Kindesunterhalt, oft auch auf den Ehegattenunterhalt, vor allem aber auf die Beziehung zwischen Eltern und Kind und auf die Entwicklung des Kindes. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen alternierenden und traditionellen Betreuungsmodellen. Welches Modell am besten geeignet ist, hängt vom individuellen Fall ab, u.a. von der Betreuungssituation vor der Trennung. Die Diskussion um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Betreuungsmodelle wird in der Fachliteratur kontrovers geführt.
Ein Konsens besteht insofern, als bei der geteilten Obhut die geographische Nähe der Eltern als wichtige Voraussetzung für das Gelingen gilt. Treten die Kinder in den Kindergarten oder die Schule ein, sollte ihnen in der Freizeit der Kontakt zu Gleichaltrigen und das Wahrnehmen von Hobbies möglich sein. Wohnen die Eltern zu weit auseinander, kann ein Kind Schwierigkeiten haben, Strukturen und Freundschaften aufzubauen.
Einfluss des Betreuungsmodells auf den Kindesunterhalt
Die Betreuungsform ist bei der Berechnung der Kinderunterhaltsbeiträge ein wichtiger Faktor. Teilt sich ein Elternpaar die Betreuung der Kinder zu gleichen Teilen, werden die anfallenden Kinderkosten hälftig getragen und erzielen die Eltern ein ähnlich hohes Einkommen, so sind in der Regel keine Kinderunterhaltsbeiträge geschuldet. Werden die Kinder hauptsächlich durch einen Elternteil betreut und ist dieser Elternteil durch die Betreuung der Kinder in der eigenen Erwerbstätigkeit eingeschränkt, wird neben dem Barbedarf für das Kind in der Regel ein Betreuungsunterhalt geschuldet.
Mehr Informationen zu den Grundsätzen der Berechnung der Beitragshöhe beim Kindesunterhalt finden Sie hier: Wie berechnet sich der Kindesunterhalt?